Der Garten erwacht

Am Anfang war nur eine stille Fläche.
Eine Wiese, unscheinbar, grün, glattgebügelt von den Jahren, die über sie hinweggegangen sind.

Wenn man dort stand, hörte man nichts als das Zirpen der Grillen, das ferne Bellen eines Hundes, das Wispern des Windes über die Halme. Alles wirkte, als sei es schon immer so gewesen – und als könne es auch ewig so bleiben.

Eine unscheinbare Wiese – noch schweigend, doch bereit, ihr Geheimnis preiszugeben.

Doch noch bevor der erste Spaten den Boden berührte, war da etwas in mir: ein Sehnen, ein innerer Schöpfungsgedanke.
Er brodelte in meinem Herzen, malte innere Bilder von einem Garten, der nicht nur schön sein sollte, sondern erzählend, einladend, geheimnisvoll. Ein Garten, der das sichtbar macht, was im Inneren des Hauses verborgen ist.

So entstanden erste Entwürfe am Computer. Linien, die sich schwangen, Wege, die sich öffneten, Kreise, die Räume formten. 

Kennst du das, wenn du spürst: etwas in dir will neu geordnet werden, noch bevor du genau weißt, wie es am Ende aussieht?

Am Anfang war nur ein Bild im Herzen – Linien und Kreise auf dem Bildschirm, die von einem Garten träumten.

Mit jedem Entwurf wurde die Fantasie lebendiger, bis die Gewissheit wuchs: Ja, sie kommt – die Waldhüterin (wie in Blog 1 erzählt).

Und in diesem Moment durfte der erste Spaten wirklich in die Erde gestochen werden.

 

Mit dumpfem Knacken gaben Grasnarbe und Erde nach.
Große Schollen lösten sich, schwer, schwarz, nach Erde duftend. Der Atem der Tiefe stieg empor, feucht und herb.
Ein vertrauter Geruch, der an Kindheit erinnerte – und zugleich an das Unerbittliche jedes Neubeginns: Es muss aufgebrochen werden, bevor Neues Gestalt annehmen kann.

Der erste Spatenstich: Schwarze Erde atmet auf, der Anfang jedes Neubeginns.

So wie in meinem Leben.

Auch dort musste ich das Alte aufreißen, Gewohntes verlassen, Wurzeln lösen, die scheinbar unerschütterlich in mir lagen. Der Umbruch war kein zartes Streicheln, sondern ein radikales Graben. Erst als die Erde offenlag, konnte ich ahnen, dass etwas Neues möglich war.

Vielleicht erkennst du dich in diesem Weg wieder: Auch in dir gibt es Felder, die nach Aufbruch rufen, Steine, die gehoben werden wollen, und Samen, die auf ihre Pflanzung warten.

 

Eines Morgens kam ein LKW mit der Spedition.
Auf seiner Ladefläche, von Holzleisten umschlossen, auf einer Palette festgezurrt, stand sie: die Waldhüterin.
Ganz unromantisch, verpackt, fast verloren wirkte sie in ihrem hölzernen Käfig, als man sie auf dem Gelände abstellte.

Verpackt, unscheinbar, fast verloren – so kam sie an, die Hüterin des Gartens.

Erst als alle Vorbereitungen für ihren Standort in der Rasenfläche getroffen waren, kam der Radlader.
An der Gabel hängend wurde die Waldhüterin vorsichtig auf ihr Fundament gesetzt.

An der Gabel des Radladers schwebend – der Moment, in dem sie ihren Platz fand.

Dort stand sie nun – einsam, verlassen, noch ohne Bezug, und doch schon in einer Würde, die spürbar war.
Es war, als hielte sie den Atem an und wartete.

Einsam und doch voller Würde stand sie – wie ein Versprechen für das, was kommen sollte.

 

Als Nächstes begann der Bau des Weges.
Eine geschwungene Linie, die sich elegant über das Gelände zog. Noch roh, noch unfertig, und doch schon deutlich erkennbar.

Wir legten die ersten drei von sieben Platten – jede eine Porphyrplatte, belegt mit Glasmosaiken, Farben und Linien, die harmonische Lebendigkeit ausstrahlten.

Stein für Stein: die ersten drei Platten des Weges funkelten im Morgenlicht.


Als die Morgensonne auf sie fiel, funkelten die Steine wie kleine Lichter, als wollten sie den kommenden Weg bereits andeuten.

Und auch wenn erst drei Platten lagen, konnte man schon etwas von der Vollkommenheit erahnen, die einmal den ganzen Weg der Erkenntnis und die Anlage erfüllen würde.

Was im Garten sichtbar wird, geschieht auch in uns – Schritt für Schritt, Platte für Platte, bis unser eigener Weg erkennbar wird.

 

Staub wirbelte auf, Werkzeuge klirrten, Stimmen riefen.
Überall lag Material: Stapel von Platten, Kübel mit Sand, Schubkarren voller Schutt.

Und doch: Mit jedem Tag mehr wurde sichtbar, dass das Chaos eine innere Ordnung hat. Dass hinter dem scheinbaren Durcheinander ein Plan verborgen liegt, der sich nun enthüllt.

Staub, Schubkarren, Stapel von Platten – Chaos, das doch schon eine Ordnung in sich trägt.

Auch so war es in mir: Mein Umbruch war nicht wirres Chaos, sondern Vorbereitung. Jeder Stein, der gehoben wurde, hatte seinen Platz.

Hast du schon erlebt, dass etwas erst chaotisch wirken musste, bevor es seinen Sinn offenbarte?

 

Dann kam der zarte Teil: der Gang in die Baumschule.
Zwischen all den Pflanzenreihen suchte ich nicht nur Schönes – ich suchte Sinnbilder.

Ein Baum, der Standfestigkeit ausdrückt: der rotlaubige Schlitzahorn, majestätisch, fein, in gebührendem Abstand zur Waldhüterin.
Er steht nicht vordrängend, sondern in stiller Würde, als wolle er die Szene mit Ruhe rahmen.

Zwischen Reihen voller Möglichkeiten – die Wahl des Rotahorns, der Gräser, der Lavendel.

Am Rande des Gartens fanden höhere Gräser ihren Platz, die im Wind schaukelten und Leichtigkeit verströmten.

Und dazwischen tiefblauer Lavendel und feuerrote Purpurglöckchen, deren Farben sprachen wie Worte einer Poesie.

Das Einpflanzen wurde zum Ritual: Hände in der Erde, Finger im Wurzelballen, der Duft von feuchter Erde vermischt mit Hoffnung.
Mit jeder Pflanze, die in den Boden kam, spürte ich: Der Garten atmet, er nimmt Gestalt an, er erwacht.

 

So entsteht Stück für Stück dieser besondere Themengarten.
Nicht in einem großen Schlag, sondern in Etappen: Entwürfe, Umbruch, Ankunft, Setzen, Pflanzen.

Weg, Pflanzen, Waldhüterin – das erste große Aufatmen des Gartens: er erwacht.

 

So auch das Leben: Es erwacht nicht auf einmal, sondern durch viele kleine Schritte, die ein großes Bild ergeben.
Der Garten erwacht – und in ihm erwache auch ich.

Und vielleicht, während du diese Zeilen liest, merkst auch du: Etwas erwacht in dir.

Doch dies ist erst der Anfang.
Denn was jetzt noch jung und tastend aus der Erde schaut, wird im nächsten Schritt seine ersten echten Gesten zeigen: Strukturen, die sich verweben, Räume, die sich öffnen, und Begegnungen, die sichtbar machen, warum dieser Garten mehr ist als ein Ort.

Im kommenden Blog 5 erfährst du, wie aus den ersten Linien ein lebendiges Geflecht wird – wie der Garten seine Sprache findet und beginnt, deine Geschichte zu erzählen.

 

2 Antworten

  1. Lieber Theophilos, irgendwie bin ich laufend in Resonanz mit deiner Skultur: was in der Stille passiert, die innere Stimme wahrnehmen, die Früchte auch im Außen erscheinen…
    Dazu sind mir intensive Beispiele aus meinem Leben wieder bewusst geworden und auch jetzt…
    Und vor allem: Wie darüber neue innere Dialoge, die in der Tiefe verbinden, im Außen Neues hervorbringen!! = ein neues Miteinander!
    Wenn du möchtest, können wir uns darüber mal austauschen – Ich dachte da an ein Interview o.ä…
    Tiefe Grüße Katharina

    1. Liebe Katharina 🌿,
      wie schön, deine Zeilen zu lesen – sie klingen wie ein Echo dessen, was die Waldhüterin selbst verkörpert: Stille, Verbindung, und das Wunder, wie Inneres sich im Außen zu zeigen beginnt. ✨

      Ich freue mich sehr, dass du so tief in Resonanz bist und deine eigenen Erfahrungen sich darin spiegeln. Ja, lass uns gern austauschen – ob im Gespräch, Interview oder auf welche Weise es sich zeigen will. Ich bin bereit für alles, was daraus entstehen möchte. 🌸

      Mit herzlicher Verbundenheit,
      Theophilos

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